Die Schärfentiefe bezeichnet welche Tiefe (also räumlich gesehen die Z-Achse) der Schärfebereich hat. Oft wird die Schärfentiefe auch als Tiefenschärfe bezeichnet, da man aber auch von einer Schranktiefe oder Wassertiefe spricht, ist meiner Meinung nach Schärfentiefe im Zusammenhang mit dem räumlichen Schärfebereich eines Bildes korrekt.

Der Schärfebereich ist abhängig von 2 Faktoren:

1. Wie offen oder geschlossen die Blende ist
2. Von der Brennweite und den relativen Entfernungen zwischen Kamera, Motiv und Hintergrund

Besonders deutlich wird der Einfluss der Blende im direkten Vergleich:
null
Bild: Auswirkung der Blende auf die Schärfentiefe

Durch die kleinere Darstellung habe ich die unscharfen Bereiche extra farblich markiert, da noch eigentlich unscharfe Bereiche durch die Verkleinerung schon recht scharf wirken.

Schauen wir uns jetzt Praxisbeispiele zur Blendenöffnung an.

Je weiter die Blende geöffnet ist (wir erinnern uns: also je geringer die Blendenzahl), desto geringer ist die Schärfentiefe, d.h. der Bereich, an dem das Bild scharf ist, ist relativ klein. Räumlich gesehen ist die Tiefe der Schärfe also nur ein sehr kurzer Bereich im Bild.
null
Bild: Sabrina, 42.5mm (KB 85mm) – f1.7

Wie auf dem Bild oben zu erkennen ist, ist Sabrina scharf abgebildet, der Hintergrund aber verschwommen. Die Konturen der Rohre im Hintergrund sind nicht klar erkennbar.
Diesen Effekt nennt man auch „freistellen“, da man das Hauptmotiv oder –Objekt klar vom Hintergrund abgrenzt.
Gerade Portraits mit offener Blende haben durch geringe Schärfentiefe und die Abtrennung eines scharfen Motivs vom unscharfen Hintergrund oft einen professionelleren Look.

Umgekehrt ist die Schärfentiefe höher, also der Bereich, der scharf abgebildet wird, größer, wenn die Blende geschlossen ist.
Wenn man Portraits an besonderen Orten fotografiert, bei denen man möglichst viel von der Umgebung mit zeigen möchte, sollte man daher mit einer geschlossenen Blende fotografieren.
Das gleiche gilt für Landschaftsaufnahmen, wo man (in der Regel) möglichst viel scharf haben möchte.
null
Bild: Sonnenstern im Winter, 7.5mm (KB 15mm) – f8

Auf dem oben gezeigten Bild, welches ich mit einer Blende von f8 gemacht habe, erkennt man, dass am unteren Rand, also ganz vorne, die Grashalme scharf sind, genauso wie der Strommast im Hintergrund, rechts von der Sonne.
Auch wenn er aufgrund der Entfernung nicht im Detail zu erkennen ist, so erkennt man klare Linien.
Der Effekt, dass die Sonne eine Art Stern bildet, liegt ebenfalls an der geschlossenen Blende.
Je geschlossener die Blende, desto stärker tritt dieser Effekt auf.

Hinweis: Ein Objektiv erreicht aus physikalischen Gründen an der weitesten Blende, also geringsten Blendenzahl, niemals die optimale Schärfe. Meist wird diese im mittleren Bereich erreicht. Ab der sogenannten „kritischen Blende“ nimmt die Schärfe auch bei geschlossener Blende wieder ab, da eine sogenannte Beugungsunschärfe auftritt. Das Licht wird durch die kleine Öffnung zu sehr gebogen, sodass nicht mehr die optimale Schärfe übertragen werden kann. Dieses Verhalten kann man selber ausprobieren: Wenn man die Augen langsam zukneift, sieht man immer unschärfer. Das gleiche gilt beim Aufreißen der Augen. Die optimale und die kritische Blende sind von Objektiv zu Objektiv unterschiedlich und können im Internet gefunden werden.

Kommen wir nun zu dem Einfluss der Brennweite und der Entfernung von Motiv zu Kamera und Hintergrund.
Grundsätzlich gilt bei der Brennweite, dass eine kürzere Brennweite, z.B. 15mm, eine größere Schärfentiefe, also einen breiteren scharf abgebildeten Bereich, hat. Je länger die Brennweite, desto geringer ist die Schärfentiefe, der scharf abgebildete Bereich ist also kleiner, ähnlich wie bei der Offenblende.

null
Bild: Schmetterling, 140mm (KB 240mm) – f8

Obwohl ich das Schmetterlingsbild mit einer Blende von f8 gemacht habe, sieht man, dass bereits die Flügelspitzen (sowohl die Vorderen, als auch die Hinteren) im unscharfen Bereich liegen. Die Schärfentiefe ist also extrem gering. Ich würde vermuten etwa 1 cm.
Dies liegt 1. an der sehr weiten Brennweite von 140mm und 2. an der geringen Entfernung des Schmetterlings zur Kamera. Die Kamera war etwa 35-40 cm entfernt.

Wenn der Schmetterling nun weiter von der Kamera entfernt gewesen wäre, aber von der Position gleich zu den im Hintergrund unscharfen Blüten, wären diese in diesem Fall jedoch ebenfalls scharf.
Der Grund ist die relative Position des Motivs zwischen Kamera und Hintergrund.

Ein gutes Beispiel dafür ist dieses Bild:
null
Bild: Sabrina, 42.5mm (KB 85mm) – f1.7

Trotz der weit offenen Blende von f1.7 und einer Brennweite im Tele-Bereich (85mm auf Vollformat gesehen) ist der Hintergrund scharf. Die Unschärfe liegt an dem Gewinde rechts und auch noch leicht an den Zehenspitzen. Ab da ist alles scharf, da Sabrina weiter von der Kamera entfernt war als vom Hintergrund.

Die Schärfentiefe ist deshalb ein so extrem wichtiges Stilmittel, da wir dadurch bewusst den Blick des Betrachters lenken können.
Der Mensch schaut immer zuerst auf die scharfen Bereiche eines Bildes, da in unscharfen Bereichen für gewöhnlich nicht genug Informationen stecken, die es zu deuten gilt.

Da die Schärfentiefe so ein wichtiges und anfangs eventuell kompliziertes Thema ist, hier noch einmal kurz zusammengefasst worauf es ankommt:

Wenig Schärfentiefe:
offene Blende
lange Brennweite
Motiv / Objekt mittig zwischen Kamera und Hintergrund, bzw. näher an der Kamera als zum Hintergrund

Hohe Schärfentiefe:
geschlossene Blende
kurze Brennweite
Motiv / Objekt weiter von der Kamera entfernt und Hintergrund näher an Motiv / Objekt

2 thoughts on “Lektion 4 – Schärfentiefe

  1. Du schreibst: „Oft wird die Schärfentiefe auch als Tiefenschärfe bezeichnet…“
    Das ist zwar richtig, aber das kommt aus Unwissenheit darüber, dass es sich hierbei tatsächlich um zwei unterschiedliche Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen handelt.

    Die Schärfentiefe ist eine quantitave Beschreibung. Es kann mit physikalischen Einheiten genau definiert werden, von wo bis wo sich die Schärfe erstreckt.

    Die Tiefenschärfe ist eine qualitative Beschreibung z.B. „Dieses Bild hat eine große Tiefenschärfe.“. Es sagt etwas über den Charakter eines Bildes aus, ist aber nicht phyikalisch exakt.

    1. Hi Icebear,

      selbst namhafte Fotografen verwenden oft den Begriff Tiefenschärfe, obwohl sie Schärfentiefe meinen. Da sich der Guide an Anfänger richtet, ging es mir an dieser Stelle darum, dass Neueinsteiger nicht verwirrt werden wenn sie sich noch woanders „Lernmaterial“ aus dem Internet suchen.

      Gerade bei solchen Tutorials geht es weniger um Tiefenschärfe in dem von dir erwähnten Sinne, als um die Schärfentiefe.

      Aber auch an dieser Stelle danke für die Ergänzung.

      Lg
      Manuel

Schreibe einen Kommentar

× Schreibt mir! :)